»Der Blick auf die kleine Welt: Frühe, handgezeichnete regionale Landkarten zwischen Mimesis und Metrik: ein überregionaler Vergleich (1500-1650)«

Laufzeit: Okt. 2013 - Dez. 2015; Leitung: Prof. Dr. Arnd Reitemeier (Göttingen) und Prof. Dr. Michael Rothmann (Hannover); Bearbeitung: Daniel Kaune, M.Ed. gemeinsam mit Sascha Standke, M.Ed.; Förderung: Pro*Niedersachsen


Das Forschungsprojekt "Der Blick auf die kleine Welt: Frühe, handgezeichnete regionale Landkarten zwischen Mimesis und Metrik – ein überregionaler Vergleich (1500-1650)" hatte sich zum Ziel gesetzt, eine erste umfassende Studie zur Frühphase der Kartographiegeschichte des norddeutschen Raums zu liefern. Zwei Grundgedanken waren dabei richtungsweisend: Erstens, dass die meisten offenen Fragen zu den Entwicklungslinien der frühen regionalen Kartographie (sowie der Kulturgeschichte der Verwaltung) sich nur auf einer noch zu erschließenden umfangreichen Materialbasis und im interregionalen Vergleich beantworten ließen. Und zweitens, dass der historische Entstehungskontext bzw. die daraus resultierende Verbindung von Akte und Karte der Schlüssel zur inhaltlichen Erschließung einer entsprechende Materialbasis sein würde.

©StAM P II 12618, Casper Wallart, kolorierte Zeichnung / Augenschein (1554), 70x115cm: Gebiet der Kinzig zwischen Gelnhausen und Haitz

Neben dem Untersuchungsraum Niedersachsen wagte das Teilprojekt Hannover stichprobenartig auch den Blick in den entsprechend anliegenden (Grenz-)Raum, um dem angestrebten überregionalen Vergleich gerecht zu werden. Die räumliche Feingliederung orientiert sich an den zeitgenössischen frühneuzeitlichen Territorien. Der Zeitraum (1500-1650) wurde gewählt, da dieser durch eine noch sehr unterschiedliche Gestaltung der Karten gekennzeichnet ist. Die so fokussierte Individualität der Karten ließ ausschließlich handgezeichnete Karten zum Untersuchungsgegenstand des Projekts werden; gedruckte Karten wurden auch dann nicht erhoben, wenn sie in den Zeitrahmen passten.

Entsprechend des gesetzten Arbeitsprogramms konnten in der ersten Projektphase sämtliche frühen Regionalkarten des Untersuchungsraums systematisch erhoben und erfasst werden (Winter 2013 und Frühjahr 2014). Die Auswahl reicht von der einfachen Skizze (die während eines Prozesses entstand) über den professionellen Grundriss (einer Landesaufnahme) bis zum kolorierten und kunstvoll gefertigten Augenschein (als Aktenbeilage). Die Auswertung der erfassten Regionalkarten (zweite Projektphase) erfolgte im darauffolgenden Sommer und Winter (2014) mit Hilfe eines eigens entwickelten Karten-Analyseraster. Neben allgemeineren Kategorien zur äußeren Form der Karten (Maße, Maßstab, Datierung, Detailgrad der Ausführung und Orientierung) konnten auch solche untersucht werden, die nach Details zu den dargestellten Inhalten, Personengruppen und Aufschriften fragten (dargestellte Orte, zeitgenössische Bemerkungen, Legenden, Wappen u.a.m.). In Abhängigkeit von der Archivlage konnten darüber hinaus Faktoren, wie Maler/Kartograph, Auftraggeber und Kartenfunktion ermittelt werden.

Da für das Verständnis der jeweils dargestellten Karten-Inhalte hauptsächlich der Aktenzusammenhang ausschlaggebend ist, wurde bei der Erhebung stets auch nach den jeweiligen Provenienzen gefragt. Dabei ergab sich, dass bei ca. 25% der ausgewerteten Karten Provenienzen oder korrespondierende Archivalien verzeichnet sind. Zwar kommt die Kartographiegeschichte somit nicht darum herum, die oftmals nicht mehr bestehende Einheit von Akte und Karte zu beklagen. Doch zeigen unzählige Einzelbeispiele und Fallstudien (sowohl im allgemeinen Forschungs-, als auch im speziellen Projekt-Kontext) immer wieder, dass sowohl Gerichtsakten als auch Augenschein-Karten dem Historiker zu fast allen Fragen der Geschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit Antworten liefern. Die Auswertung von Zufallsfunden ist zwar allein schon deshalb lohnenswert, da so immer wieder deren Chancen und Möglichkeiten sichtbar gemacht werden können. Doch erleichtert eine systematische Erhebung und Erschließung von Archivbeständen den Zugriff nicht nur erheblich, sondern ist diese auch unabdingbar für eine zielgerichtete Auswahl scheinbar zufälliger Parallelüberlieferungen von Akten und Karten.

Aufgrund möglicher inhaltlicher Auswertungen wurden die korrespondierenden Archivalien stets kritisch auf ihre Richtigkeit hin überprüft, – soweit möglich – rekonstruiert und zum Teil miterhoben. Dass etwa ein Siebtel der erhobenen Karten wieder an ihren Aktenkontext angebunden werden konnte und der Forschung nun in Form einer Datenbank zur Verfügung steht, stellt ein nicht zu unterschätzendes Teilergebnis des Projekts dar. Das Teil-Ziel des Projekts, neben der Basis an Karten-Material auch eine breite Basis an Akten zu erfassen, konnte so erfolgreich realisiert werden. Dabei sind die überlieferten Akten, im Querschnitt betrachtet, in Gestalt und Umfang ebenso unterschiedlich, wie die Karten. Auch die geplante Digitalisierung aller relevanten Karten- und Aktenbestände im Verbund mit den beteiligten Institutionen konnte entsprechend des gesetzten Arbeitsprogramms noch im Winter 2014 abgeschlossen werden. Das gesetzte Ziel des Projekts, den Akten-Karten-Überlieferungszusammenhang (für den norddeutschen Raum bis 1650) soweit wie möglich zu rekonstruieren, wurde entsprechend des gesetzten Arbeitsprogramms erreicht, sodass eine systematische Erhebung (in Form einer Datenbank) als Ergebnis vorliegt.

Im Fokus der finalen Projektphase stand die Abfassung eines weiterführenden Projektantrags, der Ende April 2015 bei der DFG eingereicht und im Januar 2016 erfolgreich angenommen wurde (Projektbeschreibung, in: GEPRIS/DFG). Alle Ergebnisse des Projekts wurden den jeweiligen Archiven zur Verfügung gestellt. Teile der durch das Projekt erzielten Ergebnisse wurden in Form von stichprobenartigen Einblicken und ersten Fallstudien im März 2015 auf dem Workshop „Grenzraum und Repräsentation“  an der Universität Trier (Tagungsbericht, in: H-Soz-Kult) sowie im September 2016 auf der Tagung  „Pragmatische Visualisierung – Herrschaft, Recht und Alltag in Verwaltungskarten“ im Hessischen Staatsarchiv Marburg (Tagungsbericht, in: Archivnachrichten aus Hessen 16/2, S. 61-64) vorgestellt und fanden breite Zustimmung. Erste Einblicke in die Projektarbeit wurden 2016 in Form eines kurzen Zeitschriftenartikels, detailierte Ergebnisse dann 2019 und 2020 in Form zweier Aufsätze (entspr. der genannten Vorträge) veröffentlicht.

[akt. Abschlussbericht – 22.02.2022, Daniel Kaune]