In der letzten Kolloquiumssitzung des Jahres 2022 hielt Prof. Dr. Hartwin Brandt (Universität
Bamberg) seinen Vortrag mit dem Titel „Wie regierte ein römischer Kaiser?“, welcher (Teil-)
Ergebnisse aus seiner Arbeit am Handbuch der Altertumswissenschaften zur Römischen
Kaiserzeit präsentieren sollte. Diese sehr weit gefasste Fragestellung beantwortete der Referent
in einem Dreischritt aus Quellenpassagen, aktuellen Forschungspositionen und daran
anschließenden Fallstudien.
Anhand verschiedener Quellenpassagen zeigte Brandt die strukturellen Probleme des Principats
auf. Die Begrenztheit der principablen Möglichkeiten habe mit den Erwartungen der flaig’schen
Akzeptanzgruppen – Senat, Heer, stadtrömische Bevölkerung – an den Princeps kollidiert
(hierzu Cass. Dio 69, 6, 3; Zos. 1, 5, 2f.). Demnach habe der Princeps an einer strukturellen und
rollenspezifischen ‚Überfrachtung‘ seines Aufgabenbereiches gelitten. Dies bezeichnete der
Vortragende als ‚strukturelle Kontingenz‘. Am Beispiel eines Edikts des Claudius (ILS 206)
und verschiedener Darstellungen idealtypischer Principes (Cass. Dio 71, 6, 1-2; SHA Alex. 31,
1; Ael. Arist. Or. 26) zeigte er sowohl die verschiedenen Aufgabenbereiche und
Erwartungshaltungen an die Principes als auch die in den Quellen benannten Möglichkeiten
auf, mit dieser ‚Überfrachtung‘ umzugehen, z. B. mittels Delegationen oder Briefen.
Nach dieser induktiven Identifikation des Problems bezog sich Brandt vor allem auf die
Forschungen von Winterling und Flaig. Er kritisierte neben der Beschränkung auf die drei o. g.
Sektoren bei Flaig auch dessen fehlenden Bezug auf die materielle Überlieferung. Des Weiteren
übte er Kritik an Winterlings Verengung auf die inneraristokratische Kommunikation. Brandt
appellierte in seinem Vortrag also an einen stärkeren Einbezug des gesamten Reiches inklusive
der Provinzen sowie der materiellen Quellen, um sich der Frage nach der Regierungsfähigkeit
verschiedener Principes zu nähern.
Seine drei Fallbeispiele – Nerva, Antoninus Pius und Regalianus – untermalten die These, dass
der Princeps nicht in der Lage gewesen sei, zu regieren, sondern vorrangig reagiert und
kommuniziert habe. Entsprechend seiner zuvor geübten Kritik basierte Brandts Argumentation
besonders auf numismatischem und epigraphischem Quellenmaterial (RIC II Nerva 7; CIL III,
13724; RIC V Regalianus 1). In diesem Zusammenhang betonte er vor allem die Bedeutung
der Münzprägung als Kommunikationsmedium mit dem Reich. Auf eine Nachfrage zur
Regierungsfähigkeit der ‚schlechten‘ Principes Caligula, Nero und Domitian verwies der
Referent auf deren Nicht-Erfüllen ihrer Rolle als Princeps, ihr Akzeptanzdefizit und einer
daraus resultierenden übermäßigen Autokratisierung des Principats.